22.05.2017 - 12.4 Anfrage der Fraktion FDP/GRÜNE, Sitzung der Bür...
Grunddaten
- TOP:
- Ö 12.4
- Gremium:
- Bürgerschaft der Hansestadt Wismar
- Datum:
- Mo., 22.05.2017
- Status:
- gemischt (Sitzung abgeschlossen)
- Uhrzeit:
- 17:00
- Anlass:
- Sitzung
- Beratung:
- öffentlich
- Vorlageart:
- Bericht/Antwort gem. KV M-V
- Federführend:
- Fraktion FDP/GRÜNE
- Bearbeiter:
- Fraktion Fraktion Liberale Liste - FDP
- Beschluss:
- zur Kenntnis genommen
I. Gegenstand
Vollzugsdienstliche Kontrollen zur Überwachung des Parkraumkonzepts
II. Ausgangslage als Anlass für die Anfrage
Die Hansestadt Wismar beschloss 2011 ein Parkraumkonzept und setzte es in den Folgejahren
um. Das Konzept wird von vier Leitlinien gelenkt (Seiten 20 und 21 des Konzepts von 2011), die
im Bericht zur Evaluierung von 2016 (dort Seite 1) wiederholt werden. Sie lauten:
- Stärkere Öffnung der Altstadt für Kunden und Besucher,
- Verbesserung der Angebote für Touristen,
- Parken der Bewohner über spezifische Regelungen sichern,
- Beschäftigte auf noch akzeptablen externen Standorten konzentrieren–Verlagern statt
Verdrängen.
Von Gewinnmaximierung steht da nichts. Stattdessen gibt das Parkraumkonzept von 2011
lediglich vor (siehe dort auf Seite 3): „Eine vollständige Kostendeckung von Investitionen und
laufenden Aufwendungen aus den Einnahmen der Parkraumbewirtschaftung und den
vollzugsdienstlichen Kontrollen ist anzustreben.“
Laut dem Evaluierungsbericht von 2016 (Seite 26 unten) wurden „allein mit den
Parkscheinverkäufen im Jahr 2015 Einnahmen in Höhe von knapp 1,5 Mio. EUR erzielt“;
2011 hatte man noch 720.000 EUR geschätzt. Die Einnahmen aus der Herausgabe von
Bewohnerausweisen lassen sich für 2015 anhand der Zahl der herausgegebenen Ausweise mit
etwa 55.000 EUR errechnen (im Konzept von 2011 ging man noch von 45.000 EUR aus).
Entsprechend der Erhöhung der Parkscheinverkäufe dürften auch die „Einnahmen aus
Kontrolltätigkeit“ (sprich: aus „Knöllchen“) gestiegen sein, von geschätzten 400.000 EUR/Jahr in
2011 auf (vorsichtig geschätzt) 800.000 EUR/Jahr in 2015. Damit summieren sich die
Einnahmen allein in dem einen Jahr 2015 auf 2.355.000 EUR. Die jährlichen Ausgaben für die
Verwirklichung des Parkraumkonzepts und für die „vollzugsdienstlichen Kontrollen“ liegen mit
Sicherheit deutlich darunter.
Die „vollzugsdienstlichen Kontrolle“ ist ein Teil der Überwachung des ruhenden Verkehrs. Sie ist
eine hoheitliche Aufgabe und wird durchgeführt durch uniformierte Dienstkräfte, in der
Hansestadt Wismar durch Angestellte der Stadt. Diese sind befugt, Verwarnungen mit
Verwarnungsgeld auszustellen, wozu sie mit Kleinstcomputern mit integriertem Drucker
ausgerüstet sind. Eine Verwarnung ist eine Ahndung von geringfügigen Ordnungswidrigkeiten
nach §§ 56 ff. des deutschen Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten(OWiG). Sie kann mit oder
ohne Erhebung eines Verwarnungsgeldes verbunden sein (§ 56 OWiG). Sie kann mündlich oder
schriftlich erfolgen. Im Ordnungswidrigkeitenrecht gilt das Opportunitätsprinzip. D.h.: Die
Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten liegt im pflichtgemäßen Ermessen der
Verfolgungsbehörde (§ 47 Abs. 1 Satz 1 OWiG). Mit anderen Worten: Die Kontrollpersonen
können verwarnen, müssen es aber nicht immer tun. Sie haben ein Ermessen.
Es gibt unzählige Berichte, welche belegen, dass das Opportunitätsprinzip geflissentlich
übergangen wird und dass die Kontrollpersonen bekunden, sie könnten nicht anders handeln, als
das Knöllchen zu verteilen, so geschehen am 24. März 2017 im folgenden typischen Fall:
Die Brücke über die Frische Grube im Straßenzug Bohrstraße / Scheuerstraße war wegen
Bauarbeiten an der Brücke gesperrt. Die Scheuerstraße wurde so zur Sackgasse.
Die Ostseite der Scheuerstraße ist mit dem Zeichen 283 der Anlage 2 (zu § 41 Abs. 1 StVO
(Absolutes Halteverbot) versehen. Das gibt auch Sinn, weil die Scheuerstraße als Ausfahrt für die
Feuerwehr genutzt wird und dafür natürlich eine Seite frei von ruhendem Verkehr sein muss.
Aber während der Bauzeit an der Brücke traf das nicht zu: Die Feuerwehr hatte eh keine
Durchfahrtmöglichkeit. Es hätte für diese Zeit auch eine Regelung des ruhenden Verkehrs mit
dem Zeichen 286 (Eingeschränktes Halteverbot) genügt, das erlaubt hätte (Zitat aus der StVO):
1. Wer ein Fahrzeug führt, darf nicht länger als drei Minuten auf der Fahrbahn halten,
ausgenommen zum Ein- oder Aussteigen oder zum Be- oder Entladen.
2. Ladegeschäfte müssen ohne Verzögerung durchgeführt werden.
Es blieb aber das Verkehrszeichen 283 stehen, mitten in der Baustelle. Just vor der Baustelle, am
Boden der Sackgasse auf der Ostseite hielt ein Kleintransporter, um Gerätschaften und Kartons
einzuladen, eine Prozedur, die nur wenige Minuten dauerte. Just in dieser Zeit erschien eine
Kontrollperson des Ordnungsamtes und stellte ein Knöllchen aus, unberührt von der geänderten
Lage infolge der Baustelle. Sie verwies lediglich auf das Zeichen 283 und erklärte sinngemäß, sie
dürfe nicht anders handeln.
Die Unerbittlichkeit des Kontrollpersonals in Wismar ist sprichwörtlich geworden. Diese
Handhabung der notwendigen „vollzugsdienstlichen Kontrollen“ mag im Sinne der
Gewinnmaximierung stehen, widerspricht aber den Leitlinien des Parkraumkonzepts,
insbesondere der erstgenannten Leitlinie (stärkere Öffnung der Altstadt für Kunden und
Besucher). Die Handhabung der „vollzugsdienstlichen Kontrollen“ öffnet nicht die Altstadt,
sondern vergrault die Kunden und Besucher daraus. Das gibt Veranlassung zum folgenden
Fragenkatalog.
III. Fragenkatalog:
1. Werden die Kontrollpersonen, die mit den „vollzugsdienstlichen Kontrollen“ des
Parkraumkonzepts betraut sind, mit dem im Ordnungswidrigkeitenrecht geltenden
Opportunitätsprinzip vertraut gemacht?
Wenn nein: warum nicht?
Wenn ja: in welcher Weise?
2. Werden die Kontrollpersonen angewiesen, in keinem denkbaren Fall vom Ermessen
des §47 Abs.1 Satz 1 OWiG Gebrauch zu machen?
Wenn nein (also wenn in der Anweisung denkbare Fälle für den Ermessensgebrauch den
Kontrollpersonen geschildert werden): Welche denkbaren Fälle sind dies?
Wenn ja (also wenn die Angestellten angewiesen werden, das Opportunitätsprinzip strikt
nicht anzuwenden): Warum geschieht eine solche Anweisung?
3. Ist ein Überwachungssystem eingerichtet, mit dem überwacht wird, mit welcher
Effektivität die Kontrollpersonen ihrer Tätigkeit nachgehen?
Wenn nein: warum nicht?
Wenn ja: Wie sehen die Grundzüge dieses Überwachungssystems aus?
4. Gibt es einen Einsatzplan, der zeitlich und örtlich und personell den Einsatz der
Kontrollpersonen regelt?
Wenn nein: Wir wird dann der Einsatz organisiert?
Wenn ja: Wie sieht dieser Einsatzplan für drei typische Tage aus (Werktag, Samstag,
Sonntag)?
5. Wird in irgendeiner Weise erfasst, wie viele Verwarnungen mit Verwarnungsgeld die
einzelnen Kontrollpersonen ausstellen?
Wenn nein: warum nicht?
Wenn ja: in welcher Weise?
6. Wenn Zahlen nach der Frage (5) erfasst werden: Werden diese Ergebnisse als
Durchschnitt oder in sonstiger, zum Vergleich anregender Weise den Kontrollpersonen
mitgeteilt?
Wenn nein: warum nicht?
Wenn ja: zu welchem Zweck?
7. Werden einzelne Kontrollpersonen in irgendeiner Weise für überdurchschnittliche
Anzahl von Verwarnungen belobigt oder umgekehrt für unterdurchschnittliche Anzahl
getadelt?
Wenn nein: warum nicht?
Wenn ja: In welcher Weise gestaltet sich die Belobigung bzw. der Tadel üblicherweise? Gibt
es Leistungsprämien oder vergleichbare Zuschläge als Belobigung?
8. Werden die Einnahmen aus Verwarnungsgeldern aufgrund Überwachung des
Parkraumkonzepts und die Einnahmen aus dem Verkauf von Parkscheinen gesondert von
sonstigen Einnahmen erfasst?
Wenn nein: warum nicht?
Wenn ja: Wie hoch waren die Einnahmen in den Jahren 2014, 2015 und 2016? (Bitte
getrennt nach Jahr und Einnahmenart auflisten.)
9. Werden die Ausgaben für die Entlohnung der Kontrollpersonen gesondert von
sonstigen Ausgaben erfasst?
Wenn nein: warum nicht?
Wenn ja: Wie hoch waren die Ausgaben für die Entlohnung der Kontrollpersonen in den
Jahren 2014, 2015 und 2016? (Bitte getrennt nach Jahr auflisten.)
Der Senator, Herr Berkhahn, beantwortet diese Anfrage.
Herr Schwarzrock hat eine Nachfrage zur Aufschlüsselung der Aufwendungen, welche vom Senator, Herrn Berkhahn, beantwortet wird.